10 Thesen zur IT-Organisation der Zukunft
Um den aktuellen Herausforderungen der Digitalen Transformation gerecht zu werden, bedarf es deutlicher Veränderungen in organisatorischer, prozessualer, personeller und kultureller Hinsicht. In einigen Unternehmen wird bereits auf die gegenwärtigen und zukünftig erwarteten Veränderungen reagiert. Oftmals ist aber noch sehr unklar, in welche Richtung sich die Unternehmens-IT konkret entwickeln soll. Um Anhaltspunkte für eine zukunftsfähige Positionierung zu geben, möchten wir mit diesem Buch unser Bild der IT-Organisation der Zukunft schildern. Hierzu haben wir zehn Thesen formuliert, die aufzeigen sollen, in welchen Bereichen signifikante Veränderungen zu erwarten sind.
These 1: Kein Business ohne IT – IT ist der zentrale und unverzichtbare Treiber unternehmerischer Wertschöpfung
Informationstechnologie ist bereits heute in den meisten Unternehmen ein wichtiger Produktionsfaktor. Gleichzeitig wird sie jedoch oftmals nicht als strategisch wichtiger Wettbewerbsfaktor angesehen. Wir gehen davon aus, dass sich dies durch die Digitale Transformation massiv verändern wird. IT-Know-how wird überall im Unternehmen notwendig werden. Der Einsatz von IT bezieht sich nicht mehr nur auf die Geschäftsprozesse, sondern zunehmend mehr auch auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Daher wird IT zur überlebenswichtigen Ressource; der (in der Regel theoretische) Zeitraum vom Systemausfall bis zur Insolvenz der Unternehmen wird sich radikal verkürzen. IT wird deutlich umfassender, vernetzter, autonomer und vor allem kreativer eingesetzt werden. Bestehende Geschäftsmodelle sind für erfolgreiche Unternehmen der Zukunft oftmals nur noch ein Ausgangspunkt für die weitere Geschäftsentwicklung. Entsprechend werden IT-Lösungen zukünftig noch schneller benötigt. Je schneller sie spezifiziert, umgesetzt und in Betrieb genommen werden, desto besser gelingt es den Unternehmen, Märkte zu erobern und Wettbewerbspositionen zu sichern. Als Konsequenz dieser Entwicklung wird sich das heutige Business-IT-Alignment zu einer Verschmelzung von Business und IT weiterentwickeln.
These 2: Entwicklung und Betrieb nicht entscheidend – Das IT-Management folgt dem Paradigma „Innovate-Design-Transform“
Die klassische Unternehmens-IT ist in der Regel durch das verhältnismäßig statische Paradigma Plan-Build-Run geprägt, welches die Abläufe und Prozesse innerhalb der IT-Organisation strukturiert und am Ziel der Effizienzsteigerung ausrichtet. Feste Strukturen in der IT erlauben effiziente Arbeitsabläufe und fördern die Automatisierung, stoßen aber bei einer Forcierung der Innovationstätigkeit an ihre Grenzen. Genau diese Innovationstätigkeit, die zu neuen oder veränderten IT-basierten Geschäfts- und Wertschöpfungsmodellen führt, ist jedoch eine wesentliche Aufgabe der Digitalen Transformation. Wir schlagen daher das neue Paradigma Innovate-Design-Transform vor, mit dem IT-Organisationen zum Innovationstreiber in ihren Unternehmen werden können. Im Kern steht dabei eine Fokussierung auf die Innovationsfähigkeit durch höhere Agilität und Flexibilität, der kundenorientierten Gestaltungsfähigkeit von IT-Lösungen für spezifische Einsatzzwecke sowie der Transformationsfähigkeit zum Treiben und Umsetzen der aus der Digitalisierung resultierenden Veränderungen. Durch den vorgeschlagenen Paradigmenwechsel geraten die klassischen IT-Aufgaben wie die Entwicklung und der Betrieb von Anwendungssystem noch weiter in den Hintergrund und werden durch neue Fähigkeiten ergänzt.
These 3: „Schatten-IT“ als gelebte Praxis – IT-Innovationen werden in interdisziplinären Teams in den Fachabteilungen erarbeitet
Viele IT-Projekte werden in der heutigen Zeit durch die Fachbereiche der Unternehmen initiiert und reaktiv durch die IT-Organisationen umgesetzt. Aufgrund verhältnismäßig langsamer Abstimmungs- und Umsetzungsprozesse sowie langer Entwicklungszyklen sind die resultierenden IT-Lösungen oftmals wenig innovativ und haben selten disruptiven Charakter. Die Unternehmens-IT wird eher als träger Dienstleister denn als kreativer Innovator wahrgenommen. Durch den gestiegenen Veränderungsdruck der Digitalen Transformation sowie die immer komfortableren Sourcing-Möglichkeiten des Cloud Computing werden die Fachbereiche in zunehmendem Maße im Hinblick auf IT-Lösungen selbständig und ohne Einbindung der Unternehmens-IT aktiv. Als Resultat dieses losgelösten Verhaltens entsteht das Phänomen der sogenannten „Individuellen Datenverarbeitung“ oder auch „Schatten-IT“, welches vor allem hinsichtlich Compliance-, Security- und Architekturanforderungen als problematisch angesehen wird. In diesem Zusammenhang stellen wir uns die Frage, ob diese organisatorische Trennung von IT und Business vor dem Hintergrund der Digitalisierung überhaupt zeitgemäß ist. Wir kommen dabei zum Schluss, dass IT-Innovationen idealerweise dort entstehen sollten, wo sie später auch zum Einsatz kommen werden – nämlich in den Fachabteilungen. Hierzu sollten Experten aus allen relevanten Bereichen beteiligt sein und zusammenarbeiten. Dadurch wird die „offizielle Schatten-IT“ zur gelebten Praxis.
These 4: Innovationen durch Netzwerke – Aus strategischen Lieferanten werden Innovationspartner
Bereits seit mehr als 25 Jahren setzen Unternehmen auf klassisches IT-Outsourcing in der Regel mit Fokus auf Kostensenkungen oder Qualitätssteigerungen. Als verhältnismäßig neuartige Sourcing-Option hat sich in den letzten Jahren zudem das Cloud Sourcing etabliert, welches der Vision der „IT aus der Steckdose“ sehr nahe kommt. Die zentrale Idee des Fremdbezugs von IT-Leistung liegt traditionell darin, nicht strategische Teile der Unternehmens-IT auszulagern, um sich verstärkt auf wettbewerbsdifferenzierende Aktivitäten fokussieren zu können. Wir gehen davon aus, dass sich der Trend zur Auslagerung der „Commodity IT“ weiter verstärken wird (siehe These 6). Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass ausgewählte strategische Lieferanten zu Innovationspartnern werden, um als zentrale Impulsgeber die Unternehmen voranzubringen. Nur sehr wenige Unternehmen aus klassischen (Nicht-IT-)Branchen werden mittelfristig über das technologisch notwendige Know-how verfügen, um ihre IT-Innovationen, die für den nachhaltigen Erfolg in der digitalen Welt erforderlich sein werden, allein auf den Weg bringen zu können. Entsprechend werden Technologiepartner auf Augenhöhe erforderlich sein, die gemeinsam mit den beauftragenden Unternehmen Innovationen entwickeln. Die Kompetenzlücken füllenden Partner werden dabei immer öfter am Geschäftserfolg der entwickelten Innovationen partizipieren.
These 5: Den User im Blick – Entwicklungsprozesse sind agil, endbenutzerzentriert und mit dem Betrieb verschmolzen
In vielen Unternehmen werden Softwareentwicklungsprozesse üblicherweise nach dem Wasserfallmodell organisiert. Entsprechend erfolgen die verschiedenen Entwicklungsphasen sequentiell von der Anforderungsaufnahme, über die fachliche und technische Konzeption, die Implementierung und den Test bis zum Go-Live – meist mit minimalen Rückkopplungsmöglichkeiten zwischen den Phasen. Der Fokus der Entwicklungsaktivitäten ist dabei sehr stark technologie-, produkt- und funktionsorientiert; Benutzerbedürfnisse und -akzeptanz werden bislang nur eingeschränkt berücksichtigt. Für die Anforderungen der digitalen Welt ist dieses Vorgehen nur eingeschränkt geeignet. Würden die tradierten Softwareentwicklungsprozesse aus dem Unternehmenskontext auf die Entwicklung einer modernen App im Konsumentenkontext angewendet, so gäbe es nur es nur alle paar Monate oder gar Jahre ein Update. Entsprechend wäre die App nicht erfolgreich auf dem Markt, da die Nutzer heute kontinuierliche, im Hintergrund ablaufende Updates – und damit stets zeitgemäße Applikationen – gewohnt sind. Für die Zukunft sehen wir daher eine deutlich stärkere Verbreitung von agilen Vorgehensweisen, insbesondere für die Entwicklung der sogenannten „Lightweight-IT“, also der Frontend-dominierten und Endkunden-orientierten Systeme. Eine Hauptidee der agilen Ansätze besteht darin, dass ein erstes Deployment von zunächst rudimentären Lösungen sehr frühzeitig erfolgt und diese dann iterativ unter Einbezug des User-Feedbacks weiterentwickelt werden. Generell wird der Benutzer viel stärker in den Vordergrund der Entwicklungsaktivitäten gestellt werden. Nicht zuletzt werden Softwareentwicklung und -betrieb immer weiter verschmelzen.
These 6: Handelsware Infrastruktur – IT-Infrastrukturleistungen werden auf freien Märkten gehandelt und nach Bedarf eingekauft
Trotz des bereits seit einigen Jahren etablierten Konzepts des IT-Outsourcings für den Fremdbezug von IT-Leistungen findet der klassische IT-Betrieb bei einer Vielzahl der Unternehmen immer noch zu großen Teilen mit eigener Hardware im internen Rechenzentrum statt – oftmals durch Unterstützung Dritter. Unternehmen, die bereits Cloud Computing nutzen, setzen bislang meist lediglich auf die interne „Private Cloud“. Die Zurückhaltung beim Fremdbezug von IT-Leistungen beruht dabei unter anderem auf (historischen) Annahmen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Weitverkehrsnetzen, der Notwendigkeit von unternehmensindividuellen Lösungen sowie der Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Stabilität, die unserer Meinung nach nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gelten. Entsprechend erwarten wir für die Zukunft einen nahezu vollständigen Fremdbezug von IT-Infrastrukturleistungen. Die Beschaffung dieser Leistungen könnte über börsenähnliche Märkte erfolgen, auf denen sich abhängig von Angebot und Nachfrage tagesaktuelle Kurse für standardisierte Infrastrukturleistungen bilden. Dazu sind diese sowohl technisch als auch fachlich zu standardisieren und von den spezifischen Applikationen zu entkoppeln. So könnten IT-Infrastrukturleistungen zukünftig einfach und dynamisch eingekauft und konsumiert werden.
These 7: Digitalisierung als Risiko – Security und Business Continuity Management sind zentrale Querschnittsfunktionen des Unternehmens
Mit zunehmender Durchdringung von Informationstechnologie sind die Unternehmen der digitalen Welt immer stärker abhängig von der Verfügbarkeit ihrer IT-Systeme. Gleichzeitig führt die leichte Zugänglichkeit von Systemen über das Internet zu einer besonderen Verwundbarkeit. Je nach Branche und Geschäftsmodell (etwa Banken oder Börsen) kann ein vollständig ausgefallenes System bereits heute das Aus für das betroffene Unternehmen bedeuten. Des Weiteren wird IT mit dem Einzug in digitale Produkte und Dienstleistungen auch in zunehmendem Maße das körperliche Wohlergehen von Individuen beeinflussen – man denke etwa an das selbstfahrende Automobil, Roboter im Pflegebereich oder autonome Steuerungssysteme von Kraftwerken. Beim Blick in die Unternehmen haben wir jedoch das Gefühl, dass IT-Risiken von vielen Unternehmen gegenwärtig noch unterschätzt und oftmals entsprechend nicht vollständig beherrscht werden. Ein wesentlicher Grund hierfür ist sicherlich, dass IT-Sicherheitsprobleme derzeit meist noch eine geringe Tragweite haben. Mit zunehmender Kritikalität sehen wir aber ein effektives IT-Sicherheits- und Business Continuity Management als zentrale Kompetenzen für die nachhaltige Geschäftstätigkeit, welche als Querschnittsfunktionen eines Unternehmens organisiert werden könnten. Die Entwicklung von Sicherheitskompetenzen wird damit zu einer wesentlichen Aufgabe des Digital Business.
These 8: Transformierbare IT-Landschaften – IT-Architekturen sind standardisiert, modular, flexibel, ubiquitär, elastisch, kostengünstig und sicher
Bereits seit einigen Jahren sind die historisch gewachsenen IT-Infrastruktur- und -Anwendungslandschaften eine große Herausforderung für das IT-Management. Der in vielen Unternehmen vorherrschende „Wildwuchs“ führt nicht selten zu einem Verlust an Transparenz, erhöhten Risiken und Kosten, zur Ablenkung von Problemen des Kerngeschäfts sowie zur Unfähigkeit der flexiblen Implementierung neuer Geschäftsstrategien. Durch Standardisierungsbemühungen, fortgeschrittene Architekturkonzepte (wie serviceorientierte Architekturen und Virtualisierung) sowie das Enterprise Architecture Management (EAM) können einige Unternehmen diesen Herausforderungen bereits entgegensteuern. Oftmals werden die Probleme aber kaum gelöst, sodass die IT-Architekturen vieler Unternehmen aus unserer Sicht für agile Digitalisierungsvorhaben ungeeignet sind. Die neuen Anforderungen der Digitalen Transformation erfordern viel einfacher transformierbare IT-Landschaften. Die Standardisierung von IT-Architekturen wird daher weitergehen und sich – mit Ausnahme von wettbewerbsdifferenzierenden Bereichen – auch auf Applikationen und Geschäftsprozesse ausweiten. Gleichzeitig werden Modularisierungsansätze und flexible Schnittstellentechnologien noch weiter Verbreitung finden. Insbesondere IT-Infrastrukturen werden durch Rückgriff auf Cloud-Technologien an Elastizität gewinnen. Kosteneffizienz und Sicherheit sind notwendige Vorbedingungen für die wettbewerbsfähige Nutzung von IT.
These 9: Das Aus für die IT-Abteilung – IT-Experten werden Teil der Fachabteilungen und durch ein dediziertes Vorstandsressort koordiniert
Geprägt durch die Epoche der IT-Industrialisierung ist die Unternehmens-IT zwar meist als effektiver und effizienter Dienstleister aufgestellt, der aber oftmals als „weit weg“ vom Business und wenig innovativ wahrgenommen sowie selten als Business-Partner auf Augenhöhe angesehen wird. Dem Paradigma Plan-Build-Run folgend, gliedert sich das Aufgabenspektrum der IT-Organisationen in drei wesentliche Phasen. Dazu gehören die Aufnahme von Kundenanforderungen und die Planung der IT-Leistungserbringung, die Projektinitiierung und -durchführung sowie schließlich die Leistungserbringung. Mit unseren vorherigen Thesen haben wir bereits herausgestellt, dass die Demand- und innovationsorientierten Tätigkeiten in interdisziplinären Teams besser direkt in den Fachbereichen aufgehoben sind (siehe These 3), Entwicklung und Betrieb weniger entscheidend werden, weil sie durch spezialisierte Anbieter aus verschiedenen Gründen besser erbracht werden können (siehe These 4) sowie IT-Infrastruktur zukünftig weitgehend aus der Cloud bezogen wird (siehe These 6). Die zentrale Frage an dieser Stelle ist nun, ob eine klassische IT-Organisation dann überhaupt noch sinnvoll ist. Aus unserer Sicht lautet die Antwort: Nein. Die verbleibenden Tätigkeiten der Unternehmens-IT sind vor allem die langfristige Planung der IT-Architektur (Architekturmanagement), Steuerung und Überwachung (Innovations-, Projektportfolio- und Lieferantenmanagement und das Service-Monitoring) sowie Koordinationsaufgaben hinsichtlich der dezentralen und zentralen IT-bezogenen Aufgaben (IT-Governance, Standardisierung). Wir sind der Meinung, dass diese Aufgabenfelder besser für eine zentrale Funktion geeignet sind, die – vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Bedeutsamkeit von Informationstechnologie für das Business – in Vorstandsnähe verankert sein sollte.
These 10: Demographie, Digital Natives und individuelles Unternehmertum – Mitarbeiter werden zum strategischen Wettbewerbsfaktor
Als ein wesentlicher Faktor für den Erfolg aktueller und zukünftiger Digitalisierungsinitiativen wird der Zugang zu gut ausgebildeten Humanressourcen angesehen. Zur Bewältigung der neuen Herausforderungen, welche die Unternehmen in der Digitalen Transformation erwarten, werden spezifische Qualifikationen und Fähigkeiten benötigt. Aufgrund der gegenwärtigen demographischen Entwicklung und sich ändernder persönlicher Ansprüche, insbesondere jüngerer Arbeitnehmer, wird es für die Unternehmen jedoch immer schwieriger, die geeigneten Mitarbeiter zu finden und an das Unternehmen zu binden. Für die IT-bezogenen Aufgaben der Digitalisierung ist diese Herausforderung besonders groß, da (vor allem in Deutschland) viel zu wenig junge Menschen in technischen Berufen ausgebildet werden. Hinzu kommt, dass das Wertesystem nachrückender Mitarbeiter im Vergleich zu früheren Arbeitnehmergenerationen sehr viel stärker durch den Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung geprägt ist. Diese Entwicklungen haben massive Auswirkungen auf die Gewinnung und das Halten guter IT-Mitarbeiter, auf die mit einem dedizierten HR-Management, einer attraktiven Unternehmenskultur sowie einem diesbezüglich zukunftsorientierten Business Development reagiert werden sollte.
These 1: Kein Business ohne IT – IT ist der zentrale und unverzichtbare Treiber unternehmerischer Wertschöpfung
Informationstechnologie ist bereits heute in den meisten Unternehmen ein wichtiger Produktionsfaktor. Gleichzeitig wird sie jedoch oftmals nicht als strategisch wichtiger Wettbewerbsfaktor angesehen. Wir gehen davon aus, dass sich dies durch die Digitale Transformation massiv verändern wird. IT-Know-how wird überall im Unternehmen notwendig werden. Der Einsatz von IT bezieht sich nicht mehr nur auf die Geschäftsprozesse, sondern zunehmend mehr auch auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Daher wird IT zur überlebenswichtigen Ressource; der (in der Regel theoretische) Zeitraum vom Systemausfall bis zur Insolvenz der Unternehmen wird sich radikal verkürzen. IT wird deutlich umfassender, vernetzter, autonomer und vor allem kreativer eingesetzt werden. Bestehende Geschäftsmodelle sind für erfolgreiche Unternehmen der Zukunft oftmals nur noch ein Ausgangspunkt für die weitere Geschäftsentwicklung. Entsprechend werden IT-Lösungen zukünftig noch schneller benötigt. Je schneller sie spezifiziert, umgesetzt und in Betrieb genommen werden, desto besser gelingt es den Unternehmen, Märkte zu erobern und Wettbewerbspositionen zu sichern. Als Konsequenz dieser Entwicklung wird sich das heutige Business-IT-Alignment zu einer Verschmelzung von Business und IT weiterentwickeln.
These 2: Entwicklung und Betrieb nicht entscheidend – Das IT-Management folgt dem Paradigma „Innovate-Design-Transform“
Die klassische Unternehmens-IT ist in der Regel durch das verhältnismäßig statische Paradigma Plan-Build-Run geprägt, welches die Abläufe und Prozesse innerhalb der IT-Organisation strukturiert und am Ziel der Effizienzsteigerung ausrichtet. Feste Strukturen in der IT erlauben effiziente Arbeitsabläufe und fördern die Automatisierung, stoßen aber bei einer Forcierung der Innovationstätigkeit an ihre Grenzen. Genau diese Innovationstätigkeit, die zu neuen oder veränderten IT-basierten Geschäfts- und Wertschöpfungsmodellen führt, ist jedoch eine wesentliche Aufgabe der Digitalen Transformation. Wir schlagen daher das neue Paradigma Innovate-Design-Transform vor, mit dem IT-Organisationen zum Innovationstreiber in ihren Unternehmen werden können. Im Kern steht dabei eine Fokussierung auf die Innovationsfähigkeit durch höhere Agilität und Flexibilität, der kundenorientierten Gestaltungsfähigkeit von IT-Lösungen für spezifische Einsatzzwecke sowie der Transformationsfähigkeit zum Treiben und Umsetzen der aus der Digitalisierung resultierenden Veränderungen. Durch den vorgeschlagenen Paradigmenwechsel geraten die klassischen IT-Aufgaben wie die Entwicklung und der Betrieb von Anwendungssystem noch weiter in den Hintergrund und werden durch neue Fähigkeiten ergänzt.
These 3: „Schatten-IT“ als gelebte Praxis – IT-Innovationen werden in interdisziplinären Teams in den Fachabteilungen erarbeitet
Viele IT-Projekte werden in der heutigen Zeit durch die Fachbereiche der Unternehmen initiiert und reaktiv durch die IT-Organisationen umgesetzt. Aufgrund verhältnismäßig langsamer Abstimmungs- und Umsetzungsprozesse sowie langer Entwicklungszyklen sind die resultierenden IT-Lösungen oftmals wenig innovativ und haben selten disruptiven Charakter. Die Unternehmens-IT wird eher als träger Dienstleister denn als kreativer Innovator wahrgenommen. Durch den gestiegenen Veränderungsdruck der Digitalen Transformation sowie die immer komfortableren Sourcing-Möglichkeiten des Cloud Computing werden die Fachbereiche in zunehmendem Maße im Hinblick auf IT-Lösungen selbständig und ohne Einbindung der Unternehmens-IT aktiv. Als Resultat dieses losgelösten Verhaltens entsteht das Phänomen der sogenannten „Individuellen Datenverarbeitung“ oder auch „Schatten-IT“, welches vor allem hinsichtlich Compliance-, Security- und Architekturanforderungen als problematisch angesehen wird. In diesem Zusammenhang stellen wir uns die Frage, ob diese organisatorische Trennung von IT und Business vor dem Hintergrund der Digitalisierung überhaupt zeitgemäß ist. Wir kommen dabei zum Schluss, dass IT-Innovationen idealerweise dort entstehen sollten, wo sie später auch zum Einsatz kommen werden – nämlich in den Fachabteilungen. Hierzu sollten Experten aus allen relevanten Bereichen beteiligt sein und zusammenarbeiten. Dadurch wird die „offizielle Schatten-IT“ zur gelebten Praxis.
These 4: Innovationen durch Netzwerke – Aus strategischen Lieferanten werden Innovationspartner
Bereits seit mehr als 25 Jahren setzen Unternehmen auf klassisches IT-Outsourcing in der Regel mit Fokus auf Kostensenkungen oder Qualitätssteigerungen. Als verhältnismäßig neuartige Sourcing-Option hat sich in den letzten Jahren zudem das Cloud Sourcing etabliert, welches der Vision der „IT aus der Steckdose“ sehr nahe kommt. Die zentrale Idee des Fremdbezugs von IT-Leistung liegt traditionell darin, nicht strategische Teile der Unternehmens-IT auszulagern, um sich verstärkt auf wettbewerbsdifferenzierende Aktivitäten fokussieren zu können. Wir gehen davon aus, dass sich der Trend zur Auslagerung der „Commodity IT“ weiter verstärken wird (siehe These 6). Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass ausgewählte strategische Lieferanten zu Innovationspartnern werden, um als zentrale Impulsgeber die Unternehmen voranzubringen. Nur sehr wenige Unternehmen aus klassischen (Nicht-IT-)Branchen werden mittelfristig über das technologisch notwendige Know-how verfügen, um ihre IT-Innovationen, die für den nachhaltigen Erfolg in der digitalen Welt erforderlich sein werden, allein auf den Weg bringen zu können. Entsprechend werden Technologiepartner auf Augenhöhe erforderlich sein, die gemeinsam mit den beauftragenden Unternehmen Innovationen entwickeln. Die Kompetenzlücken füllenden Partner werden dabei immer öfter am Geschäftserfolg der entwickelten Innovationen partizipieren.
These 5: Den User im Blick – Entwicklungsprozesse sind agil, endbenutzerzentriert und mit dem Betrieb verschmolzen
In vielen Unternehmen werden Softwareentwicklungsprozesse üblicherweise nach dem Wasserfallmodell organisiert. Entsprechend erfolgen die verschiedenen Entwicklungsphasen sequentiell von der Anforderungsaufnahme, über die fachliche und technische Konzeption, die Implementierung und den Test bis zum Go-Live – meist mit minimalen Rückkopplungsmöglichkeiten zwischen den Phasen. Der Fokus der Entwicklungsaktivitäten ist dabei sehr stark technologie-, produkt- und funktionsorientiert; Benutzerbedürfnisse und -akzeptanz werden bislang nur eingeschränkt berücksichtigt. Für die Anforderungen der digitalen Welt ist dieses Vorgehen nur eingeschränkt geeignet. Würden die tradierten Softwareentwicklungsprozesse aus dem Unternehmenskontext auf die Entwicklung einer modernen App im Konsumentenkontext angewendet, so gäbe es nur es nur alle paar Monate oder gar Jahre ein Update. Entsprechend wäre die App nicht erfolgreich auf dem Markt, da die Nutzer heute kontinuierliche, im Hintergrund ablaufende Updates – und damit stets zeitgemäße Applikationen – gewohnt sind. Für die Zukunft sehen wir daher eine deutlich stärkere Verbreitung von agilen Vorgehensweisen, insbesondere für die Entwicklung der sogenannten „Lightweight-IT“, also der Frontend-dominierten und Endkunden-orientierten Systeme. Eine Hauptidee der agilen Ansätze besteht darin, dass ein erstes Deployment von zunächst rudimentären Lösungen sehr frühzeitig erfolgt und diese dann iterativ unter Einbezug des User-Feedbacks weiterentwickelt werden. Generell wird der Benutzer viel stärker in den Vordergrund der Entwicklungsaktivitäten gestellt werden. Nicht zuletzt werden Softwareentwicklung und -betrieb immer weiter verschmelzen.
These 6: Handelsware Infrastruktur – IT-Infrastrukturleistungen werden auf freien Märkten gehandelt und nach Bedarf eingekauft
Trotz des bereits seit einigen Jahren etablierten Konzepts des IT-Outsourcings für den Fremdbezug von IT-Leistungen findet der klassische IT-Betrieb bei einer Vielzahl der Unternehmen immer noch zu großen Teilen mit eigener Hardware im internen Rechenzentrum statt – oftmals durch Unterstützung Dritter. Unternehmen, die bereits Cloud Computing nutzen, setzen bislang meist lediglich auf die interne „Private Cloud“. Die Zurückhaltung beim Fremdbezug von IT-Leistungen beruht dabei unter anderem auf (historischen) Annahmen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Weitverkehrsnetzen, der Notwendigkeit von unternehmensindividuellen Lösungen sowie der Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Stabilität, die unserer Meinung nach nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gelten. Entsprechend erwarten wir für die Zukunft einen nahezu vollständigen Fremdbezug von IT-Infrastrukturleistungen. Die Beschaffung dieser Leistungen könnte über börsenähnliche Märkte erfolgen, auf denen sich abhängig von Angebot und Nachfrage tagesaktuelle Kurse für standardisierte Infrastrukturleistungen bilden. Dazu sind diese sowohl technisch als auch fachlich zu standardisieren und von den spezifischen Applikationen zu entkoppeln. So könnten IT-Infrastrukturleistungen zukünftig einfach und dynamisch eingekauft und konsumiert werden.
These 7: Digitalisierung als Risiko – Security und Business Continuity Management sind zentrale Querschnittsfunktionen des Unternehmens
Mit zunehmender Durchdringung von Informationstechnologie sind die Unternehmen der digitalen Welt immer stärker abhängig von der Verfügbarkeit ihrer IT-Systeme. Gleichzeitig führt die leichte Zugänglichkeit von Systemen über das Internet zu einer besonderen Verwundbarkeit. Je nach Branche und Geschäftsmodell (etwa Banken oder Börsen) kann ein vollständig ausgefallenes System bereits heute das Aus für das betroffene Unternehmen bedeuten. Des Weiteren wird IT mit dem Einzug in digitale Produkte und Dienstleistungen auch in zunehmendem Maße das körperliche Wohlergehen von Individuen beeinflussen – man denke etwa an das selbstfahrende Automobil, Roboter im Pflegebereich oder autonome Steuerungssysteme von Kraftwerken. Beim Blick in die Unternehmen haben wir jedoch das Gefühl, dass IT-Risiken von vielen Unternehmen gegenwärtig noch unterschätzt und oftmals entsprechend nicht vollständig beherrscht werden. Ein wesentlicher Grund hierfür ist sicherlich, dass IT-Sicherheitsprobleme derzeit meist noch eine geringe Tragweite haben. Mit zunehmender Kritikalität sehen wir aber ein effektives IT-Sicherheits- und Business Continuity Management als zentrale Kompetenzen für die nachhaltige Geschäftstätigkeit, welche als Querschnittsfunktionen eines Unternehmens organisiert werden könnten. Die Entwicklung von Sicherheitskompetenzen wird damit zu einer wesentlichen Aufgabe des Digital Business.
These 8: Transformierbare IT-Landschaften – IT-Architekturen sind standardisiert, modular, flexibel, ubiquitär, elastisch, kostengünstig und sicher
Bereits seit einigen Jahren sind die historisch gewachsenen IT-Infrastruktur- und -Anwendungslandschaften eine große Herausforderung für das IT-Management. Der in vielen Unternehmen vorherrschende „Wildwuchs“ führt nicht selten zu einem Verlust an Transparenz, erhöhten Risiken und Kosten, zur Ablenkung von Problemen des Kerngeschäfts sowie zur Unfähigkeit der flexiblen Implementierung neuer Geschäftsstrategien. Durch Standardisierungsbemühungen, fortgeschrittene Architekturkonzepte (wie serviceorientierte Architekturen und Virtualisierung) sowie das Enterprise Architecture Management (EAM) können einige Unternehmen diesen Herausforderungen bereits entgegensteuern. Oftmals werden die Probleme aber kaum gelöst, sodass die IT-Architekturen vieler Unternehmen aus unserer Sicht für agile Digitalisierungsvorhaben ungeeignet sind. Die neuen Anforderungen der Digitalen Transformation erfordern viel einfacher transformierbare IT-Landschaften. Die Standardisierung von IT-Architekturen wird daher weitergehen und sich – mit Ausnahme von wettbewerbsdifferenzierenden Bereichen – auch auf Applikationen und Geschäftsprozesse ausweiten. Gleichzeitig werden Modularisierungsansätze und flexible Schnittstellentechnologien noch weiter Verbreitung finden. Insbesondere IT-Infrastrukturen werden durch Rückgriff auf Cloud-Technologien an Elastizität gewinnen. Kosteneffizienz und Sicherheit sind notwendige Vorbedingungen für die wettbewerbsfähige Nutzung von IT.
These 9: Das Aus für die IT-Abteilung – IT-Experten werden Teil der Fachabteilungen und durch ein dediziertes Vorstandsressort koordiniert
Geprägt durch die Epoche der IT-Industrialisierung ist die Unternehmens-IT zwar meist als effektiver und effizienter Dienstleister aufgestellt, der aber oftmals als „weit weg“ vom Business und wenig innovativ wahrgenommen sowie selten als Business-Partner auf Augenhöhe angesehen wird. Dem Paradigma Plan-Build-Run folgend, gliedert sich das Aufgabenspektrum der IT-Organisationen in drei wesentliche Phasen. Dazu gehören die Aufnahme von Kundenanforderungen und die Planung der IT-Leistungserbringung, die Projektinitiierung und -durchführung sowie schließlich die Leistungserbringung. Mit unseren vorherigen Thesen haben wir bereits herausgestellt, dass die Demand- und innovationsorientierten Tätigkeiten in interdisziplinären Teams besser direkt in den Fachbereichen aufgehoben sind (siehe These 3), Entwicklung und Betrieb weniger entscheidend werden, weil sie durch spezialisierte Anbieter aus verschiedenen Gründen besser erbracht werden können (siehe These 4) sowie IT-Infrastruktur zukünftig weitgehend aus der Cloud bezogen wird (siehe These 6). Die zentrale Frage an dieser Stelle ist nun, ob eine klassische IT-Organisation dann überhaupt noch sinnvoll ist. Aus unserer Sicht lautet die Antwort: Nein. Die verbleibenden Tätigkeiten der Unternehmens-IT sind vor allem die langfristige Planung der IT-Architektur (Architekturmanagement), Steuerung und Überwachung (Innovations-, Projektportfolio- und Lieferantenmanagement und das Service-Monitoring) sowie Koordinationsaufgaben hinsichtlich der dezentralen und zentralen IT-bezogenen Aufgaben (IT-Governance, Standardisierung). Wir sind der Meinung, dass diese Aufgabenfelder besser für eine zentrale Funktion geeignet sind, die – vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Bedeutsamkeit von Informationstechnologie für das Business – in Vorstandsnähe verankert sein sollte.
These 10: Demographie, Digital Natives und individuelles Unternehmertum – Mitarbeiter werden zum strategischen Wettbewerbsfaktor
Als ein wesentlicher Faktor für den Erfolg aktueller und zukünftiger Digitalisierungsinitiativen wird der Zugang zu gut ausgebildeten Humanressourcen angesehen. Zur Bewältigung der neuen Herausforderungen, welche die Unternehmen in der Digitalen Transformation erwarten, werden spezifische Qualifikationen und Fähigkeiten benötigt. Aufgrund der gegenwärtigen demographischen Entwicklung und sich ändernder persönlicher Ansprüche, insbesondere jüngerer Arbeitnehmer, wird es für die Unternehmen jedoch immer schwieriger, die geeigneten Mitarbeiter zu finden und an das Unternehmen zu binden. Für die IT-bezogenen Aufgaben der Digitalisierung ist diese Herausforderung besonders groß, da (vor allem in Deutschland) viel zu wenig junge Menschen in technischen Berufen ausgebildet werden. Hinzu kommt, dass das Wertesystem nachrückender Mitarbeiter im Vergleich zu früheren Arbeitnehmergenerationen sehr viel stärker durch den Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung geprägt ist. Diese Entwicklungen haben massive Auswirkungen auf die Gewinnung und das Halten guter IT-Mitarbeiter, auf die mit einem dedizierten HR-Management, einer attraktiven Unternehmenskultur sowie einem diesbezüglich zukunftsorientierten Business Development reagiert werden sollte.